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Bewertung SPD Musterantrag Vorratsdatenspeicherung – „den Arsch in der Hose haben!“

Dass es innerhalb der SPD eine Unterstützung für die anlasslose Vorratsdatenspeicherung gibt, ist seit geraumer Zeit bekannt. Zuletzt war es Ralf Stegner, der die Speicherung entsprechender Daten für drei bis vier Monate forderte. SPD-Innenminister auf Länderebene gehen teilweise noch weiter. Nun positionieren sich auch die Netzpolitiker innerhalb der SPD zu diesem Thema – in fataler Art und Weise. In der Vergangenheit hat sich dieser Gesprächskreis immer als progressive Kraft in der SPD-internen Debatte verstanden und sich als solcher auch in der Öffentlichkeit präsentiert. So machte man stets den Eindruck, das Netz verstanden zu haben und gab vor, unsere Bürgerrechte schützen uns stärken zu wollen. Jetzt wurde von Mitgliedern des Gesprächskreis Netzpolitik in der SPD allerdings ein Entwurf für einen Musterantrag zum Thema Vorratsdatenspeicherung vorgelegt, der von anderen aus dem Gesprächskreis verteidigt wird. Es scheint also die Mehrheitsmeinung dieses Kreises zu sein.

Vor diesem Hintergrund halte ich den Antrag sowohl politisch als auch strategisch für falsch. Mit fast zehn Jahren Parteipolitik auf dem Rücken weiß ich natürlich, wie Parteitage funktionieren und wie man dort und im Vorfeld versucht Kompromisse zu erzielen bzw. Brücken zu Gruppen mit anderen Meinungen zu schlagen. Was aber vorgelegt wurde, zeigt für mich ein falsches Verständnis in diesem Politikfeld auf, grundsätzlich und nicht nur in Fachfragen. Im Folgenden versuche ich mich einmal am Text „abzuarbeiten“ und für mich offene Fragen, Kommentare und kritische Anmerkungen anzuführen.

Orginaltext Musterantrag jeweils in der grau hinterlegten Box:

Grundrechte wahren, Freiheit und Sicherheit stärken: Vorratsdatenspeicherung verfassungskonform überarbeiten und differenziert betrachten

=> Das zeigt deutlich auf: der Antrag will eine Veränderung der bisherigen Gesetze zur Vorratsdatenspeicherung (seit März 2010 als verfassungswidrig erklärt). Man hält grundsätzlich an der Kernidee der Vorratsdatenspeicherung, nämlich der anlasslosen Speicherung von Telekommunikationsverbindungsdaten, fest.

Der Bundesparteitag möge beschliessen:Die SPD setzt sich auf europäischer Ebene für eine grundlegende Überarbeitung der europäischen Richtlinie über die Vorratsdatenspeicherung ein. Ziel muss sein, eine differenzierte und verfassungskonforme Richtlinie zu erstellen und in deutsches Recht umzusetzen. Jegliche Art von Vorratsdatenspeicherung ist für die Sozialdemokratie ein erheblicher Eingriff in die Grundrechte der Bürgerinnen und Bürger und darf daher, wenn überhaupt, nur in engen Grenzen erfolgen. Als einzige Partei betrachtet die deutsche Sozialdemokratie die Vorratsdatenspeicherung differenziert, um die die unveräußerlichen Freiheitsrechte der Bürgerinnen und Bürger zu sichern, andererseits die Kriminalitätsbekämpfung für das 21. Jahrhundert zu rüsten.

=> Aha, die SPD setzt sich also als einzige Partei differenziert mit der Vorratsdatenspeicherung auseinander. Das man fünf Jahre nach Beschluss der Richtlinie immer noch keine abgeschlossene Meinung als Partei dazu hat, widerspricht dieser These. Wenn andere Parteien klare Positionen, positiv wie negativ, dazu formulieren, scheint das aus Sicht der SPD also nicht differenziert zu sein. Wie sooft reagieren die Sozialdemokraten auf Kritik, indem sie sie als „Fundamentalismus“ bezeichnen. Bei Freiheitsrechten bin ich gerne Fundamentalist. Zumal die SPD das Gesetz im Herbst 2007 in der Großen Koalition erst implementiert hat. Zynisch finde ich, dass man die europäische Richtlinie nur auf Deutschland bezieht. Verfassungsgerichtsurteile aus anderen EU-Ländern werden nicht betrachtet, die grundsätzliche Skepsis mit dem System Vorratsdatenspeicherung in anderen Ländern werden schlicht ignoriert. Ich frage mich, wieso man hier nicht das Ziel ausgibt, die Richtlinie ganz zurückzunehmen. Nur wenn man Ziele politisch formuliert, haben sie auch eine Chance. Wer von Anfang an Kompromisse macht, kann eigentlich nur verlieren.

Die sozialdemokratische Europa- und Bundestagsfraktion sowie die über den Bundesrat beteiligten sozialdemokratischen Funktionsträger in den Ländern, werden daher aufgefordert:1. Auf europäischer Ebene darauf hinzuwirken, dass die Richtlinie 2006/24/EG über die Vorratsspeicherung grundlegend überarbeitet wird: Es soll den Mitgliedsstaaten überlassen sein, ob sie Telekommunikationsanbieter zur Speicherung verpflichten (Kann-Regelung). Bei Beibehaltung einer europaweiten Verpflichtung ist die Maximalspeicherfrist von verdachtslos gespeicherten Daten auf sechs Monate, statt bisher auf zwei Jahre, festzulegen. Für sensible Daten wie beispielsweise Telefon-Verbindungsdaten sollte eine maximal auf wenige Tage beschränkte Speicherverpflichtung und hohe Zugriffshürden gelten. Bewegungsprofile durch Funkzellenauswertung dürfen generell nicht ermöglicht werden.

=> Für einen Antrag, der Konkretisierung einfordert, sind Formulierungen, wie „maximal auf wenige Tage“, nicht angebracht. Sind das jetzt drei Tage, sieben Tage, 14 Tage oder wie z.B. für den NRW-SPD-Innenminister, Ralf Jäger, vielleicht 30 Tage? Im Vergleich zur bisherigen Maximalmöglichkeit von zwei Jahren, können auch 30 Tage schnell als „wenige Tage“ verstanden oder interpretiert werden. Fast schlimmer finde ich aber, dass man bei einer Beibehaltung der Muss-Regelung die Maximalspeicherdauer von sechs Monaten, und sei es nur nur für bestimmte Daten, im SPD Gesprächskreis als akzeptabel anerkennt und damit verhältnismäßig findet. Ansonsten würde man es ja nicht schriftlich formulieren oder es gar als Kompromiss fordern, falls die gewünschte Soll-Regelung scheitert. Es wird keine Begründung geliefert, wieso IP-Daten weniger „sensibel“ sind als Telefondaten. IP-Adressen scheinen kein persönliches Datum für SPD Netzpolitiker zu sein.

2. Keine gesetzliche Regelung für eine Vorratsdatenspeicherung kann die Arbeit von Ermittlungsbehörden ersetzen. Die SPD setzt sich daher dafür ein, dass Polizei und Staatsanwaltschaften ausreichend personell sowie technisch ausgestattet sind, damit Straftaten – egal wo sie stattfinden – rasch aufgeklärt werden können. Dem technischen Fortschritt sollte mit umfangreichen Weiterbildungsinitiativen für Ermittlungsbehörden Rechnung getragen werden.

=> Jepp, das stimmt. Ist aber etwas allgemein gehalten, warum funktioniert es denn nicht schon heute?

3. Sich sowohl auf Bundes- als auch europäischer Ebene nur für solche Regelungen einzusetzen, die mit den Maßgaben des Urteils des Bundesverfassungsgerichts vereinbar sind. Darüber hinausgehend ist für die SPD eine Zustimmung zu einer Vorratsdatenspeicherung wenn überhaupt nur möglich, wenn folgende Anforderungen berücksichtigt werden:

=> Schön wäre hier eine Bewertung des Urteils des Bundesverfassungsgerichts gewesen. Die CDU behauptet ja auch, dass sie die Neufassung der Vorratsdatenspeicherung mit dem Urteil vereinbar machen wollen.

a) Der Abruf und die Nutzung der Verbindungsdaten darf nur bei Verdacht auf schwerste Straftaten erfolgen. Das sind insbesondere Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit und die sexuelle Selbstbestimmung (Katalogstraftaten nach §100a StPO). Auskünfte für Ordnungswidrigkeiten sind auszuschließen. b) Keinesfalls darf eine verdachtslose Speicherung von Funkzellen (Cell-IDs) bei Mobiltelefonen (Telefonverbindungen und mobiles Internet) stattfinden. Gleiches gilt für die Speicherung von E-Mail-Verbindungsdaten. c) Die Beauskunftung von Anschlussinhabern anhand einer IP-Adresse kann als milderes und weniger eingriffsintensives Mittel zur Aufklärung von Straftaten genutzt werden. Dabei sollte ein Abruf jedoch nur innerhalb einer angemessenen Frist erfolgen können.

=> Man streitet sich ja schon seit langem, was „angemessen“ bei der Vorratsdatenspeicherung ist. Wenn es für die Fraktionsarbeit im Bund und Europa wirklich eine Relevanz haben soll, muss man hier konkreter werde. Sonst hat jeder SPD-Hardliner in der Innenpolitik seine eigene Interpretation davon, was „angemessen“ ist oder er/sie dafür hält.

d) Eine Nutzung der Daten darf ausschließlich für strafrechtliche, nicht für zivilrechtliche Auskünfte erfolgen. e) Jeder Abruf von Vorratsdaten muss unter Richtervorbehalt stehen. f) Es ist eine generelle Unterrichtungspflicht für die von einem Datenabruf Betroffenen aufzunehmen.

=> Mit welcher Frist dies geschehen soll, wird nicht gesagt. Auch eine Aussage darüber, ob es nach Ansicht des Gesprächskreis kostenlose Auskunftsrechte aller TelekommunikationsteilnehmerInnen geben soll, fehlt.

g) Für Berufsgeheimnisträger und andere Geheimnisträger (wie Journalisten, Abgeordnete, Rechtsanwälte, Priester, etc.) muss ein absolutes Verwertungsverbot gelten.

=> Haha, wie soll das stattfinden und funktionieren? Registrierung mit Journalisten- oder Abgeordnetenausweis beim Log-In im Internet? Ansonsten werden deren Daten trotzdem gespeichert und Geheimdienste können natürlich auch zugreifen, da bei denen eine andere Kontrolle herrscht. BerufsgeheimnisträgerInnen können mit diesem Vorschlag trotzdem in Überwachung und Kontrolle geraten. Menschen, die Seelsorgehotlines oder Whistleblower die Journalisten anrufen, sind trotzdem ausgeliefert, ihre Daten sind nachvollziehbar.Der Schutz dieser Berufsgruppen ist damit in digitalen Kommunikationsmedien nicht länger gewährleistet. Natürlich werden auch heute bestimmte Daten von solchen Berufsgruppen gespeichert, aber es gibt immer noch legale Alternativen, ISPs die nicht speichern, Prepaid Karten etc.

h) Die Bestimmungen zum technischen Datenschutz sind entsprechend den verfassungsgerichtlichen Vorgaben deutlich auszubauen. Dazu gehören namentlich eine getrennte Speicherung, die sichere Verschlüsselung von Daten, das Vier-Augen- Prinzip verbunden mit fortschrittlichen Verfahren zur Authentifizierung für den Zugang zu den Schlüsseln und eine revisionssichere Protokollierung von Zugriff und Löschung. i) Der Bundesdatenschutzbeauftragte muss die Umsetzung sowie den laufenden Betrieb jederzeit kontrollieren können. Verstöße gegen den Datenschutz oder das Verbot der Datenabfrage müssen wirksam sanktioniert werden. Neben entsprechenden Bußgeldtatbeständen ist ein gesetzliches Beweisverwertungsverbot für zu Unrechte erlangte Auskünfte einzuführen. j) Eine Erstattung der Kosten der Telekommunikationsanbieter zur Umsetzung der Vorratsdatenspeicherung sind vorzusehen.

Da die Begründung vom Parteitag nicht beschlossen werden dürfte, äußere ich mich dazu erst mal nicht weiter.

Unklare Fragen sind für mich:

Sind Anonymisierungsdienste weiterhin legal nutzbar?

Welche Speicherdauer wird für IP-Adressen bei einer nationalen Umsetzung gefordert?

Müssen alle SIM-Karten registriert werden? Welche Datenarten sollen wie gespeichert werden?

Gibt es nur eine Unterscheidung zwischen Telefon und Internet oder auch noch weitgehender.

Die Fragen mögen detailreich sein, aber in einer Partei die sich seit Jahren bei dem Thema streitet oder in die falsche Richtung läuft, wäre es an der Zeit, hier konkret zu werden Ansonsten vertritt jeder und jede anschließend eh was er oder sie will.

Meine oben genannte grundsätzliche Kritik zielt aber darauf ab, dass die Notwendigkeit solcher Speicherorgien in dem Text des vermeintlich noch am progressivsten SPD-Expertengremium im Bereich der Innen- und Netzpolitik gar nicht mehr hinterfragt wird. Es geht in dem Antrag anscheinend nur noch um das „Wie“ einer solchen anlasslosen Speicherung und nicht mehr um das grundsätzliche „Ob“. Da hatte ich ehrlich gesagt andere Hoffnungen, da es in der Vergangenheit auch andere Stimmen gab, die die Einführung einer solchen Praxis insgesamt hinterfragt und kritisiert haben. Die Kritik an Quick Freeze, die ansonsten im Umfeld dieses Antrags geäußert wird, teile ich nicht. Klar ist doch, dass dieser Vorschlag deutlich stärker in die Grundrechte eingreift und schwächt, als es das Quick Freeze-Verfahren tun würde. Mit diesen – elementaren – Fragestellungen wird sich innerhalb des Gremiums jedoch scheinbar gar nicht mehr auseinandergesetzt. Und, liebe Schreiberlinge, nur weil das Bundesverfassungsgericht etwas nicht für völlig verfassungswidrig erklärt hat, muss man es trotzdem nicht einführen, sondern kann auch sagen:„Nein, das ist der falsche Weg!“.Das hätte ich mir von Euch erhofft!

Ich erkläre hiermit meine Solidarität und biete Unterstützung für alle Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten an, die „den Arsch in der Hose haben“, sich auf dem Parteitag im Dezember hinzustellen und einen Antrag einzubringen, der den Mechanismus der anlasslosen Vorratsdatenspeicherung ablehnt und auf dessen Ende und nicht dessen Änderung hinarbeitet. Dieser Antrag tut dies definitiv nicht.

Werde aktiv gegen die Vorratsdatenspeicherung!

Zeichne die Petition gegen die Vorratsdatenspeicherung mit und komme am 10. September nach Berlin um bei der Freiheit statt Angst Demo mitzudemonstrieren.

Wer speichert alles Daten über mich?

Datenschutzspaziergang mit Silke Gebel, Kandidaton zur Abgeordnetenhauswahl Berlin, und mir durch den Wahlkreis 2 in Berlin-Mitte.

Am 17. August treffen wir uns ab 18 Uhr vor dem dm-Markt am Henriette-Herz-Platz 4 (Neubauten Rückseite Hackescher Markt) zum gemeinsamen datenschutzpolitischen Spaziergang. Wir werden zu Filialen von Unternehmen und öffentlichen Stellen gehen, die massiv Daten über uns speichern. Wir wollen zeigen wo überall Daten über und von uns gespeichert werden und welche Folgen das hat. Wir werden zeigen wie man selber vorsichtiger sein kann und welche Rechte man als Bürgerin und Bürger gegenüber datenspeichernden Stellen besitzt. Dabei geht es um das Kundenkartenprogramm Payback, Scoring durch Banken, Datenspeicherung bei Telekommunikationsfirmen, den Neuen Personalausweis oder die Arbeit von Auskunfteien. Endpunkt des Spaziergangs wird das Rathaus Mitte an der Karl-Marx-Allee sein.

Zwecks Planung bitte kurze Anmeldung an silke.gebel [at] gruene-mitte.de

Infos auch auf silke-gebel.de

Praktikant/in gesucht! – Schwerpunkte Netzpolitik und internationale Koordination

Der Bundesvorstand von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sucht ab Ende September eineN PraktikantIn. Schwerpunkt der Tätigkeit ist die Unterstützung der Koordination der internationalen Arbeit und die Vorbereitung zum Bundesparteitag in Kiel. Inhaltlich geht es zudem um die Themenbereiche Demokratie, Bürgerrechte und Netzpolitik. Die Stelle ist im Büro des Bundesvorstandsmitglieds Malte Spitz angesiedelt.

Vorausgesetzt werden organisatorisches Geschick, Teamfähigkeit und Interesse an der Zusammenarbeit mit vielen verschiedenen Organisationen und Menschen. Zu den Aufgaben gehören neben allgemeiner Bürotätigkeit die Unterstützung der Vorbereitungen zum Parteitag der europäischen Grünen im November 2011 in Paris. Kenntnisse in den Bereichen Bürgerrechte, Datenschutz, Netzpolitik sowie gute Französischkenntnisse sind von Vorteil, aber nicht zwingend.

Beginn des Praktikums: Ende September/Anfang Oktober 2011

Ende des Praktikums: Mitte Dezember 2011

Ort: Berlin, Bundesgeschäftsstelle BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Bruttomonatsvergütung: 350 Euro

Bewerbungen mit Lebenslauf bitte bis zum 31. August an buero.spitz@gruene.de. Rückfragen beantworten wir gern per E-Mail oder unter Telefon 030-28442-151.

Allgemeine Informationen zum Thema Praktikumim Büro Spitz findest du hier.

Reisebericht Argentinien

Am Mittwoch den 8. Juni haben wir dann gerade das Zeitfenster erwischt, wo man von Santiago nach Buenos Aires fliegen konnte, Strecke ca. 1600km. Durch den Vulkanausbruch einige Tage vorher, war ein Chaos an den Flughäfen entstanden und etliche Flüge gecanceled, was meine Reiseplanungen in der Woche danach noch heftig durchwirbeln sollte. In Argentinien ist die politische Landschaft deutlich lebendiger, vielseitiger und streitlustiger, sowohl was die Parteien als auch die Zivilgesellschaft angeht. Erkennbar ist dieser Unterschied auch an den Hauptstädten, selten solche Unterschiede in einer Region erlebt, auch wenn beide Städte mehrere Millionen EinwohnerInnen haben. Spannend ist die Zeit, da in vier Wochen Wahlen in Buenos Aires sein sollten und im Oktober Präsidentschaftswahlen anstehen, sprich politisch gerade einiges in Bewegung ist. Der Wahlausgang ist leider nicht sehr erfreulich, der Rechte Mauricio Macri hat die Wahl in Buenos Aires gewonnen. Am Abend stand dann auch die erste größere Veranstaltung an, ein Auftritt bei Hacks/Hackers bei ihrem zweiten Treffen in Buenos Aires. Hacks/Hackers ist international dezentral organisiert und bringt Journalisten und Programmierer zusammen um über OpenData, Datenjournalismus und Fragen des Internets zu diskutieren. An dem Abend waren rund 130 Leute da und ich habe die Visualisierung meiner Vorratsdaten präsentiert und anschließend über Datenschutz und Bürgerrechte im digitalen Zeitalter diskutiert. Eine Veranstaltung die man auch in Berlin/Deutschland etablieren sollte, der Austausch ist in diesem Bereich noch zu gering. In Buenos Aires konnte man sehen das sich gestandene Zeitungsjournalisten seit über 30 Jahren im Beruf mit diesen Fragen auseinandersetzen und erkennen welches Potential in der stärkeren Verzahnung der Arbeit für beide Seiten stecken kann.

Besuch bei Canal 7 im Studio von 678

Besuch bei Canal 7 im Studio von 678

Am Donnerstag fand dann ein gemeinsames Mittagessen mit dem ehemaligen Kulturminister und bekannten Soziologen José Nun statt. Er konnte gemeinsam mit seinem Kollegen Alejandro Grimson spannende Eindrücke in die politische Debatte Argentiniens geben. Beispielsweise das der rechtskonservative Bürgermeister von Buenos Aires, Macri, anscheinend auch mit Unterstützung deutscher Parteistiftungen, in den vergangenen Monaten teilweise einen politischen Populismus gegen AusländerInnen und MigrantInnen geführt hat, wo Formulierungen anscheinend wörtlich aus der deutschen Debatte übersetzt wurden. Bei einem Gespräch mit der Generalsekretärin der Partei EDE ging es dann um Fragen der Transparenz in der politischen Kultur, Parteiarbeit und die Vielschichtigkeit in der politischen Landschaft. Ich habe immer noch nicht verstanden welche zahlreichen Untergruppen es vom Peronismus gibt, oder von manchen mittlerweile auch als Kirchnerismus bezeichnet, und wer mit wem wo welche Bündnisse schmiedet. Es scheint zumindest sehr lebendig zu sein und politische Gegensätze werden gerne auch einmal ignoriert wenn es um Machtfragen geht. Abends ging es dann zum staatlichen Fernsehen, Canal 7. Dies ist ein Staatsfernsehsender auf nationaler Ebene. Nach einer neuen Mediengesetzgebung ist die Medienlandschaft in Argentinien gerade im Umbruch, was auch zu erheblichen politischen Verwerfungen der aktuellen Regierung mit den etablierten Medienunternehmen geführt hat. Ziel der neuen Gesetze ist mehr Vielfalt und Transparenz. Sendelizenzen werden zukünftig zwischen staatlichen, privaten und zivilgesellschaftlichen Akteuren aufgeteilt. Es gibt gemeinsame Pools an Inhalten, die von der Zivilgesellschaft genutzt werden können um ihre Programme zu bearbeiten. Zudem gibt es einen klaren Drang zu Digitalisierung und der Bereitstellung von öffentlich finanzierten Inhalten unter freie Lizenzen. Die politische Unabhängigkeit des Staatssenders sehe ich nicht gegeben, sondern wird komplett von politischen Akteuren gesteuert. Eine Einbeziehung von gesellschaftlichen Gruppen findet in Argentinien in die Kontrolle der staatlichen Sender nicht statt, dafür haben sie wiederum mögliche eigene Sendeplätze. Ein praktisches Beispiel ist der Fernsehsender der Baugewerkschaft. Das ist letztendlich ein Heimwerkersender, mit Sicherheitstipps, Dokumentationen und Diskussionen rund ums Thema Bauen, Handwerken etc. Bemerkenswert ist, wie stark der staatliche Sender zum politischen Spielball wird. In der Vergangenheit unter Carlos Menem kaputtgespart und sogar privatisiert. Jetzt wurde es von der Regierung Kirchner wieder aufgebaut und mit der neuen Mediengesetzgebung wieder gestärkt. Ein spannendes Format ist „678“ ein Diskussionsformat was abendlich zur Primetime kommt und medienkritisch die Nachrichtenlage diskutiert, eine Mischung aus Presseclub und Medienanalyse. Bei einem Staatssender natürlich nicht immer ganz frei von der Idee eine Öffentlichkeit für die eigene Politik zu bieten, vom Ansatz her und Zuspruch der Leute aber sehr interessant, da wohl sehr reflektiert umgegangen wird. Wenn es zu dem Thema einmal eine deutsch- oder englischsprachige Analyse gibt, wäre ich sehr daran interessiert.

Pressefrühstück in Buenos Aires mit Juan Carlos Villalonga

Pressefrühstück in Buenos Aires mit Juan Carlos Villalonga

Am Freitag gab es dann ein gutbesuchtes Pressegespräch mit Juan Carlos Villalonga und mir. Juan Carlos ist ehemaliger Campaigner/Koordinator von Greenpeace Argentinien gewesen und war deren öffentliches Gesicht. Jetzt ist er Vorsitzender von Los Verdes/FEP. Das FEP ist eine Plattform die es seit bald zehn Jahren gibt und Akteure aus zivilgesellschaftlichen Gruppen, vornehmlich Umweltbereich, zur politischen Debatte zusammenbringt. In der jüngeren Vergangenheit hat es die Ergänzung um den Namen Los Verdes gegeben und man hat stärker neue RepräsentantInnen von Gruppen die andere Themen vertreten versucht einzubinden, sei es Bürgerrechte, Neue Medien oder der Sozialen Bewegung, die vor allem nach der Krise 2001/2002 entstanden sind, wo neue Arbeitsmodelle gelebt und Wirtschaftsmodelle vorgedacht werden, Debatte Dritter Sektor unter anderem. Nachmittags gab es dann noch einen Workshop mit Los Verdes/FEP wo ich Online Campaigning vorgestellt habe. Samstag wurde dies bei einem Seminar fortgeführt wo es um die Frage von Strategie in politischen Diskussionsprozessen geht. Spannend ist, das in Argentinien trotz der politischen Lebendigkeit und der aktiven Zivilgesellschaft, neue Formen der Politik kaum vorgedacht werden. Die ökologische Frage ist gerade en vogue, wird aber mehr halbherzig aufgegriffen. Denkmuster sind weiterhin sehr auf dem fokussiert, wie es schon immer war. Den Anspruch vorzudenken, querzudenken, auszubrechen aus dem politischen Korsett, habe ich bei den Gesprächen mit den bestehenden politischen Kräften kaum erlebt. Es wird eine spannende Arbeit gemacht, aber ich habe häufig gehört, „das geht hier so nicht“. Hätten sich die Grünen das bei so praktischen Fragen wie Doppelspitze oder Frauenquote vor 30 Jahren auch zu Herzen genommen, und wären nicht ausgebrochen aus dem System der Parteien wie es damals vorherrschte, wären wir heute nicht da wo wir wären.

Am Sonntag stand dann eine ausführliche Behandlung mit der Geschichte Argentiniens an. Wir haben den Memorial Park besucht, außerhalb von Buenos Aires, was an die Toten und Verschwundenen der Militärdiktatur erinnern soll. Nachweisbar sind 10.000 Menschen gestorben oder verschwunden während der Zeit, manche sprechen sogar von 30.000 Menschen. Eine gängige Praxis war die Gefangenen die teilweise von der Straße oder aus ihren Wohnungen verschleppt wurden, zu foltern, und dann zu betäuben und sie im Flussdelta vor Buenos Aires, bis nach Uruguay sind es über 100km auf dem Wasser, in den Fluss zu werfen. Die Geschichte das auch schwangere Frauen gefoltert wurden, nach der Entbindung getötet wurden und vermutlich bis zu 500 Kinder dann „verteilt“ wurden, vornehmlich an wohlhabende Familien die in dem System mitgespielt haben. Auch deutsche Unternehmen haben während dieser Zeit keine rühmliche Rolle in Argentinien gespielt und das 1978 dort die Fußballweltmeisterschaft ohne größere politische Proteste, auch der deutschen Mannschaft, von statten ging, ist rückblickend ein Skandal. Systematisch wurde während der Militärdiktatur eine Generation junger kritisch und politisch denkender Menschen ausgelöscht, vornehmlich waren die Opfer zwischen 20 und 30 Jahre alt. Die Aufarbeitung hat in den 90er Jahren des Turboneoliberalismus keine Rolle gespielt bzw. wurde politisch unterbunden. Erst jetzt finden wieder Prozesse statt und werden die Täter verfolgt.

Am Sonntagabend gab es dann noch ein Abendessen mit Bea von Via Libre, der Organisation in Argentinien wenn es um freies Wissen und netzpolitische Fragen geht. Zum Abendessen ist dann auch noch der bekannte Dokumenarfilmer Pino Solana dazugestoßen, der jetzt als Bürgermeisterkandidat für die Partei Projecto Sur antritt.

Am Montag war dann eigentlich mein letzter Tag in Buenos Aires, da ich dann nach Washington fliegen sollte, um bei der CFP zu reden. Doch Sonntagnacht war schon klar, das wird alles schwieriger als ich gedacht habe. Obwohl der Vulkanausbruch schon über eine Woche her war, so hat er in den Tagen den Flugplan quasi lahmgelegt. Ich hing permanent in Hotlines um Flüge umzubuchen, Veränderungen zu erfragen wann der Flughafen wieder freigegeben wird usw. Am Montag war dann klar das ich nicht an dem Tag wegkomme, und so konnten die geplanten Termine, ein Mittagessen mit Viktoria Donda, jüngste Abgeordnete des Nationalparlaments, Vorsitzende des Menschenrechtsausschusses und persönlich stark mit der Militärdiktatur verbunden, da sie selber eines der Kinder war, dessen Eltern getötet wurden und sie an eine andere Familie weitergegeben wurde. Bei dem Gespräch ging es dann um Menschenrechtsarbeit allgemein, aber auch darum wie verfilzt das System heute teilweise noch ist und Täter geschützt werden. Nachmittags habe ich dann noch das CELS besucht, eine der etabliertesten Bürgerrechtsorganisationen auf dem Kontinent wo es um die Verzahnung der Bürgerrechtsarbeit ging, die Verknüpfung von neuen und alten Fragen der Bürgerrechte und wie Bürgerrechte im Internetzeitalter geschützt gehören.

Statement für: My name is me

Die Kampagne My name is Me setzt sich für Pseudonyme und Anonymität im Internet ein. Die Aktion soll beitragen den Wert und auch Notwendigkeit dieser Möglichkeit aufzuzeigen. Daher mein Statement bei dieser Aktion.

My name is Malte Spitz

For almost ten years I have been fighting as an activist for privacy and for policies that allow everyone to use the Internet as they choose. For five years I have been doing this as a member of the Executive Committee of the German Green Party. I’m one of those politicians, making speeches, writing articles and traveling around Germany and sometimes around the globe. If you want, you can follow six months of my life and work online.

Sometimes you have to take action to make a political statement. In 2009 I sued telecommunications giant Deutsche Telekom to make them hand over six months of data they collected on me under the German data retention law. This data I subsequently made available to ZEIT ONLINE. We combined this data with information relating to my life as a politician, including Twitter feeds, blog entries and websites, all freely available on the internet. This interactive map is the result. The project was awarded the Lead Award 2011 in Gold and the Grimme Online Award 2011.

In my daily work I try to convince people to vote for the Greens in the next elections, but even more, I try to establish a sustainable policy for our digital future. I want all people to be able to choose what they are doing and how they do it online. I want net neutrality and openness without a censor stepping in and filtering certain content. I want an Internet where people can check what kind of data is stored about themselves, regardless if it is stored by your ISP, your cloud service or your online shopping platform.

And I want everyone be given the option to log in and raise their voices with their own given names, pseudonyms, or even anonymously. All these things go together to make a digital future I want to live in. Being able to opt into anonymity or pseudonymity is a political question. I want a political culture where I can write a political comment without signing it with my name, just as I don’t write my name on my voting ballot. I want my political friends all over the world who live in undemocratic countries to be able to fight for freedom of speech, civil liberties or gay rights, without fear of torture or punishment, using the shield of pseudonyms or possibly anonymization. What would have happened in the Arab Spring if internet users were required to upload videos to YouTube under their real names?

I use my full name online, since I want to show people what I’m doing online. But I also want to have the option to do it another way, to use pseudonyms for private conversations or online usage, where I choose not to be known as Malte Spitz, 27, politician of the German Green party.

Reisebericht Chile und Argentinien

Reisebericht 4. bis 13. Juni 2011, Chile und Argentinien

Auf Einladung der Heinrich Böll Stiftung, bzw. dem Regionalbüro Cono Sur, mit Sitz in Santiago, Chile, war ich 11 Tage in Chile und Argentinien. Anschließend ging es noch für zwei Tage, und nicht wie eigentlich geplant, für fast vier Tage nach Washington, wo es auf Einladung des Stiftungsbüros auch noch einige Termine gab und ich eigentlich real bei der CFP (Computer, Freedom, Privacy)-Konferenz auftreten und sprechen sollte. Kernthemen der Reise waren netzpolitische Fragen, wie Zugang zu Informationen, Datenschutz, Medienvielfalt aber auch die Frage der demokratischen Veränderungen, und allen voran den Möglichkeiten die das Internet dafür bietet. Besonders in Chile herrscht für diese Debatte eine besondere Sensibilität, da es seit einigen Wochen Großdemonstrationen gegen Großstaudammprojekte im Süden des Landes gibt, Hidro-Aysén, die vornehmlich über neue Medien vorangetrieben und koordiniert werden. Dazu kamen die sehr großen Proteste der letzten Wochen gegen das chilenische Bildungssystem. Das hat zu einem Aufleben der Zivilgesellschaft in Chile geführt, vor allem vieler jüngerer Menschen, was so in der Vergangenheit noch nicht vorstellbar wahr. Chile galt bisher was die Frage einer aktiven Zivilgesellschaft angeht eher als zurückhaltend, im Vergleich zu seinen Nachbarländern. Begleitet wurde die Reise durch den Leiter des Regionalbüros Michael Alvarez-Kalverkamp und der Projektkoordinatorin im Regionalbüro Regine Walch. An dieser Stelle das herzliche Dankeschön für die klasse Unterstützung, den tollen Gedankenaustausch und die Organisation eines so spannenden Programms.

Die Berichte werden in zwei Teilen, Teil 1 Chile und Teil 2 Argentinien, in den kommenden Tagen hier im Blog veröffentlicht.

Ärzte ohne Grenzen starten Wettbewerb: Revising TRIPS for Public Health

Ärzte ohne Grenzen hat einen Ideenwettbewerb gestartet wie man eine Überarbeitung des TRIPS-Abkommen erreichen kann um den Herausforderungen der öffentlichen Gesundheit wirklich zu begegnen. Hintergrund ist die Doha Welthandelsrunde vor zehn Jahren. Der Wettbewerb läuft bis 19. September und man kann einen kurzen Text oder audiovisuellen Beitrag einreichen. Als Begründung für den Wettbewerb schreibt Ärzte ohne Grenzen unter anderem:

Access to medicines (drugs, vaccines, diagnostics and other health technologies) is a critical component of realizing the human right to health. However, equitable access is threatened when patent and other intellectual property monopolies on medicines allow them to be priced out of reach of those who need them. Progress in science and technological innovation is also impeded when property rights on knowledge block others from using and building on it.

The 1994 World Trade Organization (WTO) Agreement on Trade Related Aspects of Intellectual Property Rights (TRIPS) is a treaty originally negotiated in the late 1980s, and requiring all 153 WTO member countries to provide intellectual property (IP) protection domestically, including making available patents on medicines. When TRIPS first came into force in the mid-1990s, many developing countries had to begin introducing medicines patents for the first time into their national laws. Concerns grew within the public health community that high prices on patented medicines would limit access only to the rich and lucky few. TRIPS was also critiqued for failing to stimulate research & development into the diseases that only affected the poor, since market incentives were insufficient to attract private sector investment.

Die Ausschreibung ist bisher nur auf der internationalen Seite von Ärzte ohne Grenzen zu finden. Als Preise winken Reisen nach Genf zu einer Doha+10 Konferenz um seine Idee vorzustellen.

Debatte um Vorratsdatenspeicherung und neuer Wahnsinn bei der Urheberrechtsdurchsetzung in den USA

Die vergangenen Tage war ich in Washington und der Bay Area (San Francisco/Sillicon Vallye) unterwegs um mich mit etlichen netzpolitischen Akteuren in den USA aber auch mit Verbänden und Unternehmen zu treffen. Ausführliche Berichte dazu folgen im August hier auf der Seite.

In den letzten Tagen wurde vor allem über die Debatte um die Einführung einer Vorratsdatenspeicherung berichtet. Diese soll wesentlich sein zur Bekämpfung der Verbreitung von Missbrauchsdarstellungen von Kindern im Internet. Die Debatte kommt irgendwie bekannt vor. Zum ersten Mal wurde jetzt breiter über diese Pläne berichtet, was auch mit dem Start einer Aktion der EFF zusammenhängt, bei der jede und jeder seine jeweiligen Abgeordneten kontaktieren soll um über die weitreichenden Folgen dieses Vorhabens aufzuklären. Eine ähnliche Aktion hat dann auch Patrick Breyer in seinem Blog für die deutsche Debatte gestartet. Insgesamt musste ich bei meinen Gesprächen in den USA feststellen das die Aufregung und die Kenntnis über das Thema Vorratsdatenspeicherung in den USA bisher sehr gering ist. Sowohl aus der Zivilgesellschaft als auch aus der Wirtschaft gab es bisher wenig Widerstand gegen die Pläne zur Einführung dieser anlasslosen Speicherung von Verbindungsdaten, verglichen mit der Debatte in Deutschland oder auf europäischer Ebene. Ich hoffe das sich in kommenden Monaten ein breites Protestbündnis mit verschiedenen gesellschaftlichen Akteuren und Gruppen zusammenschließt, das auf die Risiken und massiven Grundrechtseingriffe eines solches Vorgehens hinweist. Politisch wird es noch Zeit brauchen bis es wirklich zu einer maßgeblichen Abstimmung kommt, die erste Abstimmung im House Judiciary Committee war allerdings ein Erfolg für die Republikaner und Unterstützer der Vorratsdatenspeicherung.

Weniger Beachtung fand bisher die Debatte um den PROTECT IP Act. Der Vorschlag wurde vom demokratischen Senator Patrick Leahy eingebracht. Den Orginaltext gibt es hier als PDF. Hierbei geht es um eine Verschärfung der Rechte zur Durchsetzung von Urheberrechten. Hier melden sich unterschiedliche Stellen zu Wort die diese weitreichenden Vorschläge ablehnen, auch zahlreiche Internetunternehmen wie Google sind dabei oder Zahlungsdienstleister wie Kreditkartenfirmen. Unterstützung für die Verschärfung kommt natürlich aus der Content-Industrie und ihren Lobbyverbänden wie der RIAA oder MPAA (PDF). Hinter vorgehaltener Hand sehen viele Akteure in den USA leider gute Chancen für eine abgeschwächte Variante des Protect IP Acts, da es als Geschenk für Hollywood vor dem Wahlkampf 2012 angesehen wird. Schauspieler, Musiker und auch die entsprechenden Medienunternehmen sind wichtige Unterstützer vor allem für die Demokraten, sowohl medial als auch finanziell. Deshalb wird weniger Gegenwind von manchen demokratischen Abgeordneten erwartet, als vielleicht bei anderen Themen wo es um die Einschränkung von Bürgerrechten geht. Hoffnung haben manche eher auf Gegenwehr aus den Reihen der Republikaner, da viele Wirtschaftsunternehmen das Vorgehen deutlich ablehnen.

Bekanntester Teil des PROTECT IP Act ist die Möglichkeit Domains sperren zu lassen. Dies kann schnell auch ausländische Unternehmen und Seitenbetreiber betreffen, wenn es sich bspw. um .com Endungen handelt, die aus den USA heraus verwaltet werden oder auch amerikanische Rechteinhaber betroffen sind. Selbst Finanzdienstleister können dazu gebracht werden Zahlungsverkehr zu den Seitenanbietern zu unterlassen oder das Werbevermarkter oder ggf. sogar einzelne Unternehmen mit haftbar gemacht werden können, wenn sie auf entsprechenden Seiten die gegen das Urheberrecht (IP=Intellectual Property) nach Ansicht der Rechteinhaber verstoßen, Werbung schalten. Eine gute Zusammenfassung der Probleme und vor allem die verfassungsrechtlichen Einschnitte die dieses Gesetz mit sich bringen würde, findet sich in einem offenen Brief von Jura-Professoren der unter anderem von Mark Lemley, Stanford Law School, initiiert wurde. Den Brief findet ihr hier und einen Artikel zur Veröffentlichung des Briefs gibt es auch.

Die Problembeschreibung aus dem Brief:

„The Act would allow the government to break the Internet addressing system. It requires Internet service providers, and operators of Internet name servers, to refuse to recognize Internet domains that a court considers “dedicated to infringing activities.” But rather than wait until a Web site is actually judged infringing before imposing the equivalent of an Internet death penalty, the Act would allow courts to order any Internet service provider to stop recognizing the site even on a temporary restraining order or preliminary injunction issued the same day the complaint is filed. Courts could issue such an order even if the owner of that domain name was never given notice that a case against it had been filed at all.

The Act goes still further. It requires credit card providers, advertisers, and search engines to refuse to deal with the owners of such sites. For example, search engines are required to “(i) remove or disable access to the Internet site associated with the domain name set forth in the court order; or (ii) not serve a hypertext link to such Internet site.” In the case of credit card companies and advertisers, they must stop doing business not only with sites the government has chosen to sue but any site that a private copyright or trademark owner claims is predominantly infringing. Giving this enormous new power not just to the government but to any copyright and trademark owner would not only disrupt the operations of the allegedly infringing web site without a final judgment of wrongdoing, but would make it extraordinarily difficult for advertisers and credit card companies to do business on the Internet.

Remarkably, the bill applies to domain names outside the United States, even if they are registered not in the .com but, say, the .uk or .fr domains. It even applies to sites that have no connection with the United States at all, so long as they allegedly “harm holders” of US intellectual property rights.“

Debatte um Netzneutralität geht weiter

Medial wird das Thema Netzneutralität, trotz des eG8-Forum mit Schwerpunkt Internet, kaum beachtet. Die Probleme von Telekom-Nutzern mit YouTube, die sich über zu lange Ladezeiten beschwerten, führten zwar zu einer Reaktion innerhalb intressierter Kreise und der damit verbundenen Ankündigung der Telekom, die Kapazität für YouTube zu verdreifachen, dass die Telekom dafür aber in Zukunft Gebühren erheben möchte und dies das Ende der Netzneutralität bedeuten würde, blieb weitestgehend unkommentiert.

Vergangene Woche fand in Berlin eine Diskussion der American Chambers of Commerce (AmCham) zu ein Jahr Enquete-Kommission „Internet und digitale Gesellschaft“ – Zwischenbilanz und Ausblick“ statt, bei der vor allem Jens Koeppen (Obmann der CDU/CSU-Fraktion in der Enquete) deutlich machte, dass er keinen Handlungsbedarf bei der Frage zur Netzneutralität sieht, da die „Hütte noch nicht brennt“. Ich habe da ein grundsätzlich anderes Politikverständnis. Politik sollte nicht erst reagieren, wenn das Kind schon in den Brunnen gefallen ist oder „die Hütte brennt“, sondern gerade bei solch grundsätzlichen Fragen frühzeitig mit klarem Kompass agieren. Daher auch mein Einsatz für eine klare gesetzliche Regelung der Netzneutralität, wie ich sie letztes Jahr schon mit der Initiative Pro Netzneutralität mit angestoßen habe.

Auf der Veranstaltung der AmCham hielt auch der Wirtschaftswissenschaftler der Helmut-Schmidt-Universität, Prof. Dr. Jörn Kruse, eine Präsentation, in der er aufzeigte, welche Handlungsmöglichkeiten er in der Debatte sieht. In seinem Fazit legte sich Prof. Dr. Kruse auf das „Priority Pricing“ fest, also Sondergebühren für besonders schnell zugängliche Inhalte im Netz und damit ein Systemwechsel bei der Datendurchleitung. Meine Gegenfrage, wieso nicht das Flatrate-System der Provider beendet werden könnte, wenn sich der „ungezügelte Netzzugang“ als solches Problem erweisst, wurde mit einem Nicken verstanden aber sonst nicht beantwortet. Den Unternehmen ist die Einführung einer Zwei-Klassen-Gesellschaft im Internet offensichtlich angenehmer als den Kunden die „Unwirtschaftlichkeit“ der Flatrates zu erklären, wenn es denn wirklich dieses Problem des „Datenstaus“ gibt, was ich weiterhin in Frage stelle. Oder „Priority Pricing“ wird als neuer Weg angesehen, mit dem höhere Renditen und eine zunehmende Monopolisierung vorangetrieben werden kann, die angeblichen Engpässe im Netz aber lediglich zur Begründnung oder als Legitimation benötigt werden. An dieser Stelle lohnen sich Nachfragen in allen Debatten zu diesem Thema, denn das Ende der Netzneutralität ist nicht und darf nicht die Antwort sein in dieser Debatte, wie sie allerdings ansonsten gerne von interessierten Gruppen kommuniziert wird. Die Folien von Prof. Dr Kruse bieten einem zudem genügend Ansätze für weitere Diskussionen um die Netzneutralität.

Zum Glück finden weitere Diskussionen in Teilen der Gesellschaft zur Netzneutralität statt, auch wenn sie dort nicht im zentralen Fokus steht. Erst heute wurde eine Stellungnahme des „Katholischen Deutschen Frauenbund“ (KDFB) zu dem Thema veröffentlicht. Dort wird eindringlich pro Netzneutralität Stellung genommen und gefordert: „Das Internet darf nicht zu einem Zweiklassensystem werden, in dem Anbieter und NutzerInnen, die mehr bezahlen, mehr Rechte haben. Ein „Einklassennetz“ als Basis für eine allumfassende Teilhabe muss zum ethischen Leitprinzip einer digitalisierten Welt werden.“ Die Stellungnahme vom KDFB kann als PDF heruntergeladen werden.

Disclaimer: Gleichzeitig hat der KDFB heute eine Stellungnahme veröffentlicht wo Internetsperren im Kampf gegen Missbrauchsdarstellungen nicht ausgeschlossen werden.

Termine Netzpolitik 2011 – Update

Leider komme ich erst jetzt dazu eine ausgewählte Übersicht von netzpolitisch relevanten Terminen in 2011 hochzuladen die mein Büro zusammengestellt hat. Manch spannende Veranstaltung ist bereits vorbei, andere stehen aber noch an. Wir haben die Daten einmal zum importieren in einen Kalender aufbereitet (ICS-Datei). Wer sich eine Übersicht verschaffen will welche Termine dabei sind, kann auch erstmal in das PDF schauen. Villeicht macht man auch noch ein Pad für Ergänzungen auf.

Update: Vielen Dank für einige Ergänzungen die wir jetzt in die neue Datei mit aufgenommen haben! Im PDF sind diese nicht nachgetragen, sondern direkt in der ICS-Datei.