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Grüne Bremen: Klare Absage zu Sperren im GlüStV!

Pressemitteilung der Grünen Bremen vom 12. April 2011:

Grüne lehnen Netzsperren durch die Hintertür ab!

Die Grünen lehnen die Internetsperren, die durch den Glücksspielstaatsvertrag ermöglicht werden sollen, ab.

Dazu erklärt die medienpolitische Sprecherin Anja Stahmann: „Die uns vorliegende Fassung des Glücksspielstaatsvertrages ist nicht zustimmungsfähig! Die im Entwurf vorgesehenen, durch die Länder verfügten Internetsperren sind weder wirksam noch sinnvoll. Ich fordere klare Veränderungen in diesem Bereich, ehe der Staatsvertrag beschlossen wird.“

Aktuell wird zwischen den Bundesländern über die Neuausgestaltung des Glücksspielstaatsvertrages verhandelt. Hintergrund ist ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs, der das deutsche Modell mit dem staatlichen Monopol im Bereich Sportwetten für rechtswidrig erklärt hat. Der letzte Stand des Vertragstextes beinhaltet auch die Möglichkeit von Netzsperren, um nicht lizenzierte Glücksspielanbieter im Internet zu blockieren.

Deutsche Content Allianz – Was kommt da auf uns zu?

Man darf gespannt sein, was kommende Woche am 13. April, von der neu gegründeten Deutschen Content-Allianz vorgestellt wird. In der Presseeinladung dazu steht: „die Vielfalt an medialen Inhalten und Angeboten ist inzwischen so selbstverständlich geworden, dass im „Hype“ um Infrastrukturen und neue Technologien gelegentlich in Vergessenheit zu geraten scheint, welchen unschätzbaren Beitrag Medien in ihrer Gesamtheit für das Funktionieren unserer pluralistischen, demokratischen Gesellschaft leisten.“ Diese gemeinsame Wahrnehmung wird getragen unter anderem von Verbänden und Anstalten wie: der Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten der Bundesrepublik Deutschland (ARD), des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels, des Bundesverbandes Musikindustrie (BVMI), der Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte (GEMA), der Allianz Deutscher Produzenten – Film & Fernsehen e.V. (Produzentenallianz), der Spitzenorganisation der Filmwirtschaft (SPIO), des Verbandes Privater Rundfunk und Telemedien (VPRT) sowie des Zweiten Deutschen Fernsehens (ZDF). Ziel soll sein: „… gemeinsam auf den Wert der Inhalte aufmerksam zu machen.“

Ich bin gespannt ob BVMI oder der Börsenverein des Deutschen Buchhandels von ihren teilweise zugespitzten, häufig rückwärtsgewandten und bürgerrechtsfeindlichen Positionen im Kampf gegen „Internetpiraterie“ mit Forderungen nach Sperren, Vorratsdatenspeicherung und abgestuften Warnungen Abstand nehmen, oder in dieser Allianz neue Partner für eine stärkere Kriminalisierung und Rechtsdurchsetzung finden. Ich hoffe die Deutsche Content Allianz geht in die andere Richtung und zeigt auf, wie das Urheberrecht im 21. Jahrhundert aussehen sollte, um einen fairen Interessenausgleich für alle Beteiligten zu finden. Interessant ist bei der Einladung, das UrheberInnen von kreativen Inhalten anscheinend keine Rolle in der Allianz spielen, sondern vor allem Verwerter oder Produzenten dieser. Ich lass mich, wie gesagt, überraschen was dort kommende Woche vorgestellt wird.

Congressmen asking on data retention – new informations on publication of data retention data

English text below!

Da es immer wieder Nachfragen gab, vor allem aus dem Ausland, wo das Thema Vorratsdatenspeicherung anscheinend weniger stark in der Debatte war, habe ich ein paar Infos noch einmal unten auf englisch zusammengeschrieben. Das Thema Vorratsdatenspeicherung wird mittlerweile auch international an Hand der Visualisierung meiner Daten breiter aufgegriffen und die Menschen machen sich Gedanken darüber, dass man den Datenschutz in diesem Bereich stärken muss und sie sehen auch die Auswirkungen der Vorratsdatenspeicherung.

Besonders die Initiative von zwei US Kongressabgeordneten freut mich. Der Demokrat Ed Markey und der Republikaner Joe Barton haben als gemeinsame Vorsitzende der parteiübergreifenden Datenschutzrunde einen Brief an die vier großen Mobilfunkanbieter der USA geschrieben. Darin fordern sie eine Offenlegung der dortigen Speicherpraxis von Verkehrsdaten. Ich hoffe das es bald erste Antworten gibt.

Die Fragen lauten:

What personally identifiable information does your company collect from your customers?

How is this information collected (i.e., initial sign-up process, usage of mobile phone, etc.)?

Other than pinpointing a customer’s location for purposes of identifying the strongest signal, does your company use any other mechanisms for determining the location of a customer’s mobile phone, such as how frequently the customer checks her email? If yes, what are these mechanisms and what is the purpose of each of them?

How does your company use customer’s personally identifiable information? Does your company rent or sell the information? Does your company use personally identifiable information for marketing purposes?

English:

Since there have been questions and some misunderstandings regarding my data retention publication, I would like to offer some background informations:

Deutsche Telekom stored this data not on their own account. They had to store this data in this extensive way, because of German and European law. The basis of this was the data retention directive by the European Union from 2006, which was implemented in German law in november 2007.

The geo-data is not from a GPS sensor in the smartphone. Instead the geo location informations are based on the informations of the cell site, so everybody was tracked down in the cell their phone was logged in and used at this moment. Therefore, these informations are stored for every mobile phone, regardless if it is a smartphone or an older mobile phone: every phone is located and the data is always stored in this way.

The amount of data is that high, over 35.000 lines, because my phone is turned on almost all the time and I’m using my mobile internet option as well as my Mail programme and services like twitter quite often. However, I don’t want to communicate less, just because my mobile provider and my government are keeping me under surveillance.

Some good news come from Washington. Two congressmen, who are Co-Chairmann of the House Bi-Partisan Privacy Caucus, wrote a letter to the four mayor telecommunication companies, AT&T, Sprint, Verizon and T-Mobile. Democrat Ed Markey and Republican Joe Barton asked them the following questions:

What personally identifiable information does your company collect from your customers?

How is this information collected (i.e., initial sign-up process, usage of mobile phone, etc.)?

Other than pinpointing a customer’s location for purposes of identifying the strongest signal, does your company use any other mechanisms for determining the location of a customer’s mobile phone, such as how frequently the customer checks her email? If yes, what are these mechanisms and what is the purpose of each of them?

How does your company use customer’s personally identifiable information? Does your company rent or sell the information? Does your company use personally identifiable information for marketing purposes?

Ächtung und Unterstützung – Revolutionäre Veränderungen in Nordafrika und im Nahen Osten

Besonders die Lage in Libyen hat sich in den vergangenen Tagen zugespitzt, da hilft auch kein Beschluss des UN Sicherheitsrates. Auf unserem Kleinen Parteitag am 19. März in Mainz, haben wir Grüne den Beschluss Revolutionäre Veränderungen in Nordafrika und im Nahen Osten verabschiedet. Auf drei Aspekte des Beschlusses möchte ich besonders hinweisen. Der eine ist die Forderung, dass Deutschland den Staaten bei der Aufarbeitung ihrer eigenen jüngsten Vergangenheit unterstützt, unter anderem auch durch die Erfahrungen und Technik die in der Stasi-Unterlagenbehörde zum Einsatz kam, dazu lautet der Beschluss:

„Außerdem müssen Erfahrungen und Technik zur Aufarbeitung von brutalen Unterdrückungsapparaten wie der Inlandsgeheimdienste, die auch wir durch die Arbeit der Stasi-Unterlagenbehörde in Deutschland gesammelt haben, schnell an diese Staaten weitergegeben werden.“

Was aber die letzten Wochen für viel Aufsehen gesorgt hat, war die Tatsache das in den entsprechenden Staaten massiv in das Internet und seine technische Struktur eingegriffen wurde. Teilweise wurde das Internet quasi „abgeschaltet“. Hier betätigen sich deutsche und westliche Unternehmen als Handlanger der Regime und unterstützen diese Unterdrückung durch ihre Technik und Software. Hierzu hatte ich bereits vor fünf Wochen mit Konstantin einen Gastbeitrag im Handelsblatt veröffentlicht. Im Beschluss wird sich zudem für eine Ächtung der entsprechenden Technik zur Kontrolle und intensiven Ausspähung der Nutzer ausgesprochen, dieser Teil lautet:

„Wir wollen einen ungehinderten Internetzugang für die Menschen in Nahost und Nordafrika und Iran. Zensur oder gar die staatlich forcierte Abschaltung weiter Teile des Internets verurteilen wir aufs Schärfste. Der freie und ungehinderte Zugang zum Internet gehört unabdingbar zur demokratischen Meinungsfreiheit und Meinungsvielfalt. Wir werden auch weiterhin unseren Beitrag für ein freies und demokratisches Internet leisten. Dazu gehört u.a. die Weiterentwicklung von Anonymisierungsdiensten, die Bloggerinnen und Blogger vor Verfolgung schützen, aber auch die Ächtung der Technik wie zum Beispiel Trojaner, die Kontrolle und intensive Ausspähung ermöglichen. Internetprovider fordern wir auf, staatlichen Zensurbestrebungen gegenüber Widerstand zu leisten und plädieren für internationale Übereinkommen zum Schutz der Freiheit des Internets. Ziel muss sein, das demokratische Potential der Neuen Medien für Demokratie und Rechtsstaatlichkeit in autoritären und totalitären Staaten bestmöglich nutzbar zu machen.“

Das man hierfür einen klaren Rahmen benötigt, der auch auf die Möglichkeiten des so genannten „dual use“ solcher Technik eingeht ist klar, trotzdem müssen entsprechende Exportrichtlinien auf den Stand des 21. Jahrhunderts angepasst werden, im Beschluss heißt es dazu:

„Wir fordern, den Export von Waffen, Rüstungsgütern und Repressionsmitteln auch neuerer Art wie Technik zur Filterung und Zensur des Internets an autoritäre, menschenrechtsverletzende Regime nicht mehr zu genehmigen.“

Die Debatte dazu wird in den kommenden Monaten und Jahren leider weitergehen, es müssen aber jetzt die politischen Ansätze und weiteren Ideen dazu entwickelt werden, damit die Möglichkeiten die uns das Internet bietet frei genutzt werden können und nicht zunehmend staatlicher oder auch wirtschaftlicher Kontrolle unterliegen. Das demokratische Potential des Internets gehört genutzt und verteidigt.

Den fertigen Beschluss kann man als PDF herunterladen.

Six months of my life in 35,000 records

For me privacy means that some basic rules apply and not a vague red line like former minister of interior Mr. de Maizière said. These rules are in case of handling the data, that the principle of data economy is adhered and that I have the right to know what data is stored about me. One of the biggest projects that challenged data privacy and civil rights in recent years was the project of data retention. As an affected customer I filed a suit against data retention with thousans others before the Federal Constitutional Court, I worked in the focus group data retention (AK Vorratsdatenspeicherung), I helped to organize the Freedom Not Fear demonstrations, educated people about the facts, and finally, decided to sue for information on my personal data with the support of the Green party. I wanted to know what is beeing stored and also check whether the storage is such as prescribed by the legislative. Therefore, I sued my former mobile operator T-Mobile for disclosure on the basis of § 34 of the Federal Data Protection Act. The process was protracted and there was a court date. However, the Federal Constitutional Court declared on march 2nd 2010, the general design of data retention unconstitutional and ordered the deletion of all stored data. We acted rapidly and agreed on a settlement with T-Mobile about the disclosure of the records. The records that I then received didn’t include the phone numbers of the people I called or texted or who called or texted me. So half of the regularly stored data was missing.

Nevertheless, the mass of data, 35,000 records of my life, appalled me. Although angles of radiation and geo data are not my area of expertise, with the support of others I managed to conduct a small first analysis and determined that it were really my data. It was clear to me that the theoretical threat of such a mass storage has to become finally tangible. So I’ve decided to publish the data in order to show that the stored records make ones life transparent and invade ones sphere of personal privacy. With ZEIT Online I then found a partner who was interested in evaluating and processing the data – thank you for that. You can now see the result. There are also some of the raw data to try one’s hand at.

However, you have to be aware that this is only half of the data. With a complete set of records or multiple records it is easy to discover a lot more about people and their private and social life.

While for six months following the decision of the Federal Constitutional Court, there was some stagnation on the topic, since winter 2010 it’s a current issue again. Even for the FDP (Liberals), a unconditional preservation of telecommunication data is no longer a taboo. Data retention in Germany has at most taken a break and is unfortunately far from being off the table. Therefore I say clearly: stop data retention here and all over Europe!

Here are some more information on this issue.

Praktikum zu den Themen Demokratie, Bürgerrechte, Datenschutz und Netzpolitik

Der Bundesvorstand von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sucht ab Anfang Mai eineN PraktikantIn. Inhaltlicher Schwerpunkt der Tätigkeit sind die Themenbereiche Demokratie, Bürgerrechte, Datenschutz und Netzpolitik. Die Stelle ist im Büro des Bundesvorstandsmitglieds Malte Spitz angesiedelt.

Vorausgesetzt werden organisatorisches Geschick, Teamfähigkeit und Interesse an der Zusammenarbeit mit vielen verschiedenen Organisationen und Menschen. Zu den Aufgaben gehören neben allgemeiner Bürotätigkeit die Unterstützung des Zukunftskongresses im Juli 2011. Kenntnisse in den Bereichen Bürgerrechte, Datenschutz, Netzpolitik sowie im journalistischen Schreiben sind von Vorteil.

Beginn des Praktikums: Anfang Mai 2011
Ende des Praktikums: Mitte Juli 2011
Ort: Berlin, Bundesgeschäftsstelle BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Bruttomonatsvergütung: 300 Euro

Bewerbungen mit Lebenslauf bitte bis zum 29. März an buero.spitz@gruene.de. Rückfragen beantworten wir gern per E-Mail oder unter Telefon 030-28442-151.

Allgemeine Informationen zum Thema Praktikum findest du hier

Sechs Monate meines Lebens in 35.000 Datensätzen

Datenschutz heißt für mich, dass stets einige Grundregeln (ohne irgendeine schwammige rote Linie) für den Umgang mit Daten gelten müssen, dass Datensparsamkeit betrieben wird und dass ich einen Auskunftsanspruch habe und erfahre was gespeichert wird.

Eines der größten Projekte die in den letzten Jahren gegen den Datenschutz und die Bürgerrechte ins Rennen gegangen ist, war die Vorratsdatenspeicherung. Als Betroffener habe ich gegen die Vorratsdatenspeicherung vor dem Bundesverfassungsgericht geklagt, mich aktiv im AK Vorratsdatenspeicherung eingebracht, die Freiheit statt Angst Demos mit organisiert, über das Thema aufgeklärt und mich dann dazu entschlossen mit Unterstützung der Grünen Partei auf Auskunft zu klagen. Ich wollte wissen was gespeichert wird und damit auch prüfen, ob die Speicherung so erfolgt, wie vom Gesetzgeber vorgegeben.

Ich habe dazu meinen damaligen Mobilfunkanbieter T-Mobile auf Auskunft verklagt. Grundlage war §34 des BDSG. Das Verfahren hat sich hingezogen und es gab einen Gerichtstermin. Das Bundesverfassungsgericht hatte jedoch vorher die generelle Ausgestaltung der Vorratsdatenspeicherung für verfassungswidrig und für nichtig erklärt und die Löschung aller gespeicherten Daten angeordnet. Daraufhin haben wir schnell gehandelt und die Herausgabe der Daten außergerichtlich mit T-Mobile geklärt. Die Datensätze, die ich auf diese Einigung hin zu meiner Person erhalten habe, enthalten nicht die Nummern der Menschen die ich angerufen habe oder die mich angesimst haben. Sprich die Hälfte der Daten einer regulären Vorratsdatenspeicherung fehlt.

Die Masse an Daten, 35.000 Datensätze über mein Leben, haben mich schon erschrocken. Auch wenn Abstrahlwinkel und Geodaten nicht mein Fachgebiet sind, konnte ich mit Unterstützung von anderen, erste kleine Auswertungen vornehmen und feststellen das die Daten stimmen.

Mir war klar, dass die theoretische Bedrohung einer solchen Massenspeicherung, endlich greifbar werden muss. Daher habe ich mich dazu entschlossen die Daten zu veröffentlichen um klarzumachen, Vorratsdaten machen dein Leben transparent und greifen massiv in deine Privatsphäre ein, und zwar von allen Bürgerinnen und Bürgern. Mit Zeit Online und der Zeit habe ich dann einen Partner gefunden, der Interesse an der Auswertung und Aufarbeitung der Daten hatte – vielen Dank dafür. Das Ergebnis könnt ihr jetzt sehen. Zudem gibt es einen Teil der Rohdaten zum ausprobieren.

Man muss sich einmal bewusst machen, dies ist nur die eine Hälfte der Daten. Mit einem vollständigen Datensatz oder mehreren Datensätzen kann man noch viel mehr über Menschen, ihr Privat- und Sozialleben herausfinden.

Nachdem es in dem halben Jahr nach der Entscheidung des Bundesverfas­sungsgerichts zunächst etwas Stillstand bei dem Thema gab, geht es seit dem Winter wieder heiß her. Eine anlasslose Speicherung von Telekommunikationsdaten ist selbst für die FDP kein Tabu mehr. Die Vorratstdatenspeicherung in Deutschland hat höchstens eine Pause eingelegt – vom Tisch ist sie leider noch lange nicht. Deshalb sagen ich klar: Stopp die Vorratsdatenspeicherung hier und europaweit!

Wege aus der Vertrauenskrise: Europa für Jugendliche attraktiv machen

Als junger Europäer und Europabegeisterter, der auf verschiedenen Ebenen Erfahrungen mit europäischer Politik sammeln konnte, sind das zentrale Fragen, die mich in meinem politischen Handeln leiten. Und ich sehe für die folgenden Jahre vor allen Dingen eine entscheidende Herausforderung, die es zu bewältigen gilt, um diese Ziele zu erreichen: Es müssen endlich europaweit gleiche Bildungschancen für alle Jugendlichen geschaffen werden. Soll das so oft attestierte Akzeptanzproblem der Europäischen Union überwunden werden, ist dies zwingend erforderlich.

Bildungschancen machen Europa greifbar

Bildung heißt Teilhabe und ist die Voraussetzung, um teilweise komplexe Entscheidungsstrukturen zu verstehen. Deshalb sind gerechte Bildungschancen die conditio sine qua non, um Europa zum greifbaren Ort politischer Debatten zu machen, der auch als solcher wahrgenommen wird. Bildung ist der Schlüssel, um in Zukunft mehr Europa möglich zu machen.

Dabei gibt es durchaus vielversprechende Ansätze in der europäischen “Bildungspolitik”. Derjenigen, der aber auf der Suche nach geeigneten Förderprogrammen ist, sieht sich zunächst mit einem unübersichtlichen Wirrwarr von Initiativen und Programmen (Bologna, Leonardo, Erasmus) konfrontiert und hat schnell den Überblick verloren. Das jeweils passende Programm zu finden wird zur eigentlichen Herausforderung. Die Folge davon ist, dass momentan hauptsächlich Student/innen und besser Gebildete von den Europäischen Förderprogrammen profitieren, da an den Universitäten und Hochschulen die Bewerbung der Förderprogramme noch am besten funktioniert.

Erasmus auch für Lehrlinge

Hier besteht Veränderungsbedarf, damit die bereitgestellten Mittel auch alle erreichen. Wir Grüne wollen das durch die Einführung von „One-Stop-Agencies“ – eine Anlaufstelle für alle von der EU geförderten Auslandsaufenthalte für Jugendliche und junge Erwachsene – ändern. Frei nach dem Motto: „Erasmus für alle“, also auch für Praktikant/innen, Freiwillige und Lehrlinge. Denn Europa darf keine Sache der Akademiker/innen sein, sondern muss endlich zu einer Angelegenheit aller Bürger/innen werden. Breitere Angebote und eine allgemeine Erhöhung der Fördermittel ist die politische Forderung. Europa braucht eine junge Generation, die in Europa zu Hause ist, lautet die Grüne Botschaft.

Mit einer solchen Politik des einfachen und unbürokratischen Zugangs zu den europäischen Fördermitteln wäre schon viel geschafft. Doch neben den Angeboten der formellen Bildung sollten ebenso die Angebote non-formaler Bildung gestärkt werden. Wer einmal mit spanischen Jugendlichen einen Nachmittag im Park verbracht hat, wird die Unterschiede und Gemeinsamkeiten besser begreifen können, wird in Zukunft anders auf Spanier/innen zugehen als derjenige, der außerhalb eines Sprachkurses keine Erfahrung mit der spanischen Mentalität gesammelt hat.

Solche, nicht gering zu schätzenden Erfahrungen müssen endlich auch von der Politik stärker anerkannt werden. Diplome und Zeugnisse spiegeln nicht allein die Fähigkeiten und Fertigkeiten einer Person wider. Integrationsfähigkeit in ein neues soziales Umfeld kann man nicht benoten. Kompetenzen, die außerhalb von Schule und Universität erworben werden, spielen aber eine ebenso bedeutende Rolle auf dem Weg zu einer erfolgreichen europäischen Integration. Soziale Kompetenzen sind mittlerweile wesentliche Einstellungsgründe, das hat die Wirtschaft erkannt, allein die Politik hinkt wieder hinterher.

Mehr EU-Unterstützung für die Jugendarbeit

Jugendorganisationen sind oftmals der erste Ort, an dem junge Menschen mit europäischen Prozessen und Entscheidungsstrukturen in Berührung kommen. Daher müssen sie ein stärkeres Mitspracherecht erhalten. Doch Mitsprache darf nicht zur hohlen Floskel in politischen Sonntagsreden verkommen. Sie zu fordern ist leicht, damit sie Wirklichkeit werden kann, muss sie aber neben der Verankerung in den Entscheidungsstrukturen auch im Haushalt wiederzufinden sein. Deshalb fordern wir als Grüne mehr EU-Unterstützung für Jugendliche und die Jugendarbeit.

In der finanziellen Vorausschau brauchen wir ein adäquates Budget für die Jugendpolitik, um diese insgesamt, aber auch einzelne Projekte zu stärken. Es müssen mehr Mittel für Youth in Action, aber auch für lebenslanges Lernen (z.B. Erasmus und Erasmus Mundus, Leonardo da Vinci) und die bereichsübergreifenden Querschnittsprogramme (z.B. Jean Monnet, eTwinning) zur Verfügung stehen.

Die genannten Punkte machen deutlich, dass von Seiten der europäischen Institutionen die Unterstützung der europäischen Jugendarbeit verbessert und ausgebaut werden muss. Das ist aber nur die eine Seite der Medaille. Denn wir brauchen nicht nur die Fördermittel, wir brauchen vor allem die jungen Menschen. Wir müssen Mittel und Wege finden, sie besser anzusprechen als es uns bisher gelingt. Denn die Zukunft Europas sitzt nicht im Ministerrat, die Zukunft Europas sitzt in den Klassenzimmern, in Berlin, Paris, London oder Rom.

Für Europa engagieren

Wir müssen uns die Frage stellen: Warum entscheidet sich heute ein junger Mensch dafür, sich für Europa zu engagieren? Am einfachsten ist es zu sagen: Weil Europa viel für junge Menschen gebracht hat und noch bringen kann. Die heutige Generation junger Menschen profitiert von Errungenschaften der Europäischen Integration (Frieden, Reisefreiheit, Gemeinsamer Markt, Erasmus) wie keine zuvor. Was für meine ältere Schwester durch die Etablierung des Schengen- Raums der Fall des Schlagbaums an den Grenzen war, war für mich selber die Einführung des Euros. Doch diese einschneidenden Veränderungen werden gerade von jungen Menschen allzu oft als selbstverständlich angesehen, sind sie doch heute schon für viele (unreflektierte) Alltagserfahrung. Darum gilt es heutzutage jungen Menschen deutlich zu machen, wieso Europa für sie wichtig ist. Es geht darum Europa im Alltag sichtbarer zu machen, Europa erfahrbarer zu machen. Und dafür ist die Arbeit der europaweit aktiven Jugendverbände so wichtig.

Jenseits der Förderung von Jugendprogrammen, die auf sehr konkrete Art Europa greifbar machen, kann dafür das Internet ein weiterer wichtiger Baustein sein. Junge Menschen lernen Europa heute am frühesten über das Internet und die Medien kennen. Grenzen sind im Internet nicht mehr existent, Sprachen vielleicht noch eine der letzten Hürden. Die europäische Zusammenarbeit zwischen jungen Menschen in Europa wird durch das Internet befeuert und unterstützt das Engagement junger Menschen.

Doch es gibt auch weitere Anliegen jenseits der Bildungsarbeit, die dazu dienen Hindernisse auf dem Weg nach Europa abzubauen und Hemmschwellen zu minimieren, um das Engagement junger Menschen in Europa zu befördern.

Soziale Ungleichheiten überwinden

Zum einen müssen wir mittel- und langfristig die soziale Ungleichheit innerhalb der europäischen Union überwinden. Nicht alle Jugendlichen und jungen Erwachsenen können in gleicher Weise von den genannten Programmen profitieren. Es liegt noch viel Arbeit vor uns, um mehr soziale Gerechtigkeit in Gesamteuropa zu schaffen und so Europa auch für alle tatsächlich möglich zu machen.

Auch wird man mit einer besseren finanziellen Ausstattung allein das trotz des Lissabon-Vertrags fortbestehende Demokratiedefizit nicht überwinden können. Eine strukturell bessere Kommunikation der EU ist notwendig. Das kann beispielsweise durch jugendgerechte Websites ermöglicht werden.

Auch die Schaffung von mehr Beteiligungsmöglichkeiten, wie sie in einem ersten Schritt die „Europäische Bürgerinitiative“ darstellt, sind Schritte auf dem Weg für eine stärkere Einbindung der BürgerInnen in die Europäische Union. Will man aber auf diesem Weg auch Jugendliche an die Europäische Union heranführen, muss das Alter für die Beteiligung von 18 auf 16 Jahre herabgesetzt werden.

Es bleibt also noch viel zu tun, was Jugendarbeit in Europa anbelangt. Doch die Arbeit mit und für Europa – gerade mit jungen Menschen – ist wichtig, denn sie wird unsere Zukunft entscheidend prägen.

Gastbeitrag: Wenn deutsche Technik Twitter verstummen lässt

Beitrag von Konstantin von Notz und Malte Spitz. Der Beitrag ist erschienen auf handelsblatt.com

Wir alle erinnern uns an die euphorischen Kommentare, Debatten und demokratischen Versprechen, die mit der gesamtgesellschaftlichen Verbreitung des Internets Ende der 1990er aufkamen. Endlich sei das Medium gefunden worden, das nicht nur informiert, sondern auch demokratische Teilhabe ermögliche. Hoch lebe die Partizipation!

In den letzten Wochen und Monaten konnte man den Eindruck gewinnen, dass sich diese Versprechen tatsächlich bewahrheiten würden. Zwar nicht direkt bei uns, aber in anderen Regionen unserer Welt, in Tunesien und derzeit immer noch in Ägypten. Und dann waren alle Demokraten plötzlich offline.

Drastischer hätte die Bedeutung des Internets als zentraler Kommunikationskanal für einen freien und gleichberechtigten Austausch von Informationen, kurzum das demokratische Potenzial des Netzes, nicht vor Augen geführt werden können: Hochgerüstete Diktaturen fürchten sich vor Twitter-Nachrichten und YouTube-Videos und begreifen eine Facebook-Fan-Page offenbar als Gefahr für ihr Regime. Das zeigt, dass das Internet als Freiheitsmedium eine zentrale Voraussetzung für Veränderungen in unserer Welt ist.

Ähnlich wie der Buchdruck historisch betrachtet die Voraussetzung für die Durchschlagskraft der 95 Thesen eines Martin Luther war, so sind die Möglichkeiten eines freien Internets heute Bestandteil jedes demokratischen Aufbruchs unserer Zeit.

Auf Grund der heutigen Bedeutung des Internets für demokratiefördernde Prozesse wird zunehmend versucht, diese technische Infrastruktur einzuschränken und zu kontrollieren. So wird auch nicht mehr davor zurückgeschreckt, zentrale Teile der Infrastruktur zu beschädigen oder auszuschalten.

Die Erfahrungen in Ägypten haben gezeigt: Das Internet ist – zum Glück – auf Grund seiner dezentralen Struktur und vieler Helferinnen und Helfer rund um den Globus gegen ein „totales Abschalten“ weitestgehend geschützt. Häufig gibt es Umwege, die eine Nutzung frei verfügbarer Informationen weiterhin ermöglichen.

Dennoch sollte es das Selbstverständnis einer jeden Demokratie sein, dass es eine zentrale Aufgabe des Staates ist, die Freiheit des Internets zu fördern statt zu beschneiden. Deshalb ist jegliches repressives Vorgehen von staatlicher Seite mit Duldung oder gar Unterstützung freier Unternehmen scharf zu verurteilen und letztendlich auch zu ahnden – für Staaten, genauso wie für die Unternehmen. Eine Zensur oder die Abschaltung des Internets sind nicht mit den in den universellen Menschenrechten verankerten Prinzipien einer Presse- und Meinungsfreiheit vereinbar.

Die Internationale Gemeinschaft steht in der Verantwortung hier klare Regulierungen und Sanktionsmechanismen zu erarbeiten. Wer glaubt, nun lediglich auf die Verfehlungen der arabischen Welt zeigen zu können, der irrt: Die Erfahrungen im Fall Wikileaks haben uns deutlich vor Augen geführt, dass auch der Westen nicht unbefleckt ist. Auch hier wurden rechtsstaatliche Prinzipien kurzerhand außer Kraft gesetzt und letztendlich dem politischen Druck geopfert: Inhalte gelöscht, Domains gesperrt und Konten deaktiviert. Meinung- und Pressefreiheit darf aber keine Einzelfallentscheidung sein – sie ist ein universelles Recht, und ihr Schutz ist elementar für jede Demokratie.

Internationale Akteure wie ICANN oder ITU werden unglaubwürdig, wenn sie die Chancen und die Freiheit des Internets stets hochhalten, aber schweigen, wenn es aber darum geht, für deren Verteidigung einzutreten. Dass Ägypten noch 2009 Gastgeber des Internet Governance Forum der Vereinten Nationen war, und ausgerechnet dort die Möglichkeiten und Freiheiten des Internets einmal mehr beschworen wurden, wird vor diesem Hintergrund zur perfiden Randnotiz, die die Doppelzüngigkeit der derzeitigen Debatte allzu deutlich veranschaulicht.

Vor dem Hintergrund der Erfahrungen der jüngsten Zeit, sollten sich die demokratischen Kräfte auf diesem Planeten fragen, wie das Internet als freier Ort der Kommunikation am besten geschützt werden kann.

Hierfür erscheint es von elementarer Bedeutung, sich mit der technischen Infrastruktur auseinanderzusetzen, die es dem ägyptischen Regime genauso wie vielen anderen Ländern dieser Welt ermöglicht, das Netz zu kontrollieren und zu zensieren.

Während Bundeskanzlerin Merkel auf der Münchner Sicherheitskonferenz die demokratiefördernde Wirkung von Twitter als ihren Verdienst verkauft, weiß sie, dass gerade deutsche Technik im Nahen Osten nicht unerheblich daran beteiligt war, auch diesen Dienst verstummen zu lassen. Deutsche Entwicklungen spielen international in der ersten Liga der Kontroll- und Zensurtechnologie.

Statt Sonntagsreden zu halten und gleichzeitig dabei zuzusehen, wie vor den Augen der Weltöffentlichkeit Verstöße gegen universelle Menschenrechte begangen werden, wäre die schwarz-gelbe Bundesregierung gut beraten, eine Debatte über wirksame Mechanismen zur Kontrolle und Regulierung des Handels mit dieser Zensurtechnik anzustoßen. Denn: In Zeiten, in denen „das freiheitlichste Informations- und Kommunikationsforum der Welt“ (Zitat schwarz-gelber Koalitionsvertrag) „per Knopfdruck“ abgeschaltet werden kann, sind nicht mehr nur Panzer und Schusswaffen eine Gefahr, sondern genauso Spezialtechniken, die Unterdrückung vielleicht noch effektiver ermöglichen als jeder Schlagstock. Ausfuhrbeschränkungen dürfen nicht auf dem Stand des Kalten Krieges hängen bleiben, sondern müssen regelmäßig an die technologischen Entwicklungen angepasst werden.

Nur so ist zukünftig zu gewährleisten, dass das enorme demokratische Potenzial, das im Internet zweifellos steckt, tatsächlich seine Wirkung frei entfalten kann. Hieran sollten alle Demokratien dieser Welt ein großes Interesse haben.

The King’s Speech

Am 17. Februar startet in Deutschland der Film The King’s Speech der unter anderem 12 Oscar-Nominierungen erhalten hat. Dabei geht es um den stotternden König George VI der während des 2. Weltkriegs auf dem Thron saß. Ich habe zu dem Film und dem Thema, der Kulturzeit ein Interview gegeben, was man sich auch hier anschauen (Link nicht mehr verfügbar) kann.

Der Film lohnt sich. Er ist keine schwere Kost, gute Schauspieler und auch das Thema stottern kommt nicht als übliches Klischee herüber.