Respekt – Beitrag zur wirtschaftspolitischen Diskussion bei den Grünen

Wirtschaft und Grüne. Das ist seit Jahrzehnten ein angeblicher Gegensatz, der in der Öffentlichkeit immer wieder gerne aufgemacht wird.

Natürlich ist es verallgemeinernd, von „den Grünen“ und „der Wirtschaft“ zu sprechen, beide sind zudem viel weiter als oft suggeriert wird. Gesprächsfäden zwischen Unternehmen und grünen PolitikerInnen gibt es schon ewig. Ohne überzeugte Ökobauern und Eine-Welt-Läden wären Bio und Fair heute keine eigene Branche. Ohne einzelne Pioniere und private Innovationen bei den erneuerbaren Energien wäre die Energiewende nie so gut angelaufen. Ohne Marktliberalisierung, EEG-Vergütung, Umweltauflagen und Atomausstieg hätte sich die junge Branche kaum gegen das hochsubventionierte Oligopol der Energiekonzerne durchsetzen können.

Trotz all dieser Erfolgsgeschichten hält sich hartnäckig das öffentliche Bild vom mangelnden Wirtschaftsverständnis bei uns Grünen. Schuld daran sind wir Grüne oft auch selbst. Das Streben nach Geld und Erfolg widerspricht der Einstellung vieler Grüner. Es müssen dann zumindest ideelle Ziele im Vordergrund stehen – gesunde Ernährung, sauberer Strom, fairer Handel. Ein bisschen Weltrettung ist Pflicht. Dass jemand ein Unternehmen gründet oder sich selbstständig macht, seine Idee und sich selber verwirklicht, um damit gutes Geld zu verdienen, Erfolg zu haben und Arbeitsplätze zu schaffen, bleibt vielen Grünen kulturell fremd.

Aber auch Unternehmen und Verbände machen es sich zu einfach, wenn sie die Grünen als weltfremde Ökos brandmarken. Zu glauben, dass jeder, der eine andere Position als man selbst hat, schlicht keine Ahnung vom Thema hat, das ist nicht besser als die Arroganz mancher PolitikerInnen. Die Abschottung vor alternativen Diskursen und gesellschaftlichen Mehrheiten führt nicht nur in der Politik zum Rückstand, sondern auch in der Wirtschaft. Nicht umsonst erleben die Energieriesen seit dem Durchbruch der Erneuerbaren ihr blaues Wunder. Zulange haben sie uns Grüne als Freaks abgetan und den Wunsch der BürgerInnen nach sauberer Energie ignoriert.

Gegenseitiges Verständnis ist wichtig

Trotzdem muss ein Unternehmer nicht jeden spinnerten Politiker ernstnehmen und ein Unternehmen ist auch kein Wert an sich. Es geht vielmehr um gegenseitigen Respekt. Als Grüne sollten wir den Leuten, die ein Unternehmen gründen und damit erfolgreich sind, Respekt zollen. Und auch denen, die ein Risiko eingegangen sind, um es zu probieren, aber mit ihrer Idee scheiterten. Respekt dafür, weil es harte Arbeit ist, ein Unternehmen zu leiten, egal ob klein, mittel, groß oder gescheitert. Wirtschaftlicher Erfolg ist nichts Böses, das wir verteufeln müssen. Auch wenn er nicht hundertprozentig den grünen Idealen entstammt.

Respekt fehlt aber auch von Seiten der Wirtschaft. Viele WirtschaftsvertreterInnen belächeln uns Grüne noch immer, tun manche Diskurse und Ideen gern als unrealistische Hirngespinste ab. Auch hier gehört Respekt her. Wir fordern keine Zustimmung zu all unseren Forderungen, aber zumindest ihre Akzeptanz. Es muss allen klar sein, der Wunsch der Bevölkerung nach und unser Einsatz für eine sozialere und ökologischere Wirtschaft wird nicht wieder verschwinden.

Angesichts der Herausforderungen beim Klimaschutz, der Eurokrise und der Digitalisierung der Wirtschaft braucht es dringend den Wettstreit um die besten wirtschaftspolitischen Ideen. Es braucht auch Kontroverse und Auseinandersetzungen zwischen Politik und Wirtschaft. Der obligatorische Unternehmensbesuch hier, eine Rede auf dem Verbandstag dort und ein nettes Abendessen zum Thema Energiewende reichen dafür nicht aus. Nette Fotos, per Du mit dem DAX-Vorstand, das Lob man gehöre ja zu den Vernünftigen bei den Grünen, über all das kann man sich persönlich freuen.

All das macht aber keine grüne Wirtschaftspolitik aus. Grüne Wirtschaftspolitik muss fordern und herausfordern, sie muss auch anecken und vor allem muss sie vordenken.

Planungssicherheit für sozial-ökologischen Umbau

Wir Grünen sollten den UnternehmerInnen im Land deshalb einen Deal vorschlagen. Wir setzen einen Fokus auf Planungssicherheit und Verlässlichkeit. Wenn ein Instrument sich bewährt hat, dann werden wir nicht jedes Jahr daran herumdoktern, wie es in den letzten Jahren beim Gründungszuschuss, der EEG-Förderung oder der Bankenregulierung gemacht wurde. Bei unseren Vorhaben denken wir mit, dass Wirtschaftspolitik nicht nur Vorschriften erlassen kann, sondern auch Geschäftsmodelle ermöglichen muss, so wie das bei Erneuerbaren und Biolandbau funktioniert hat. Wir werden überkommene Branchen und Unternehmen nicht künstlich am Leben erhalten, sondern fairen Wettbewerb gerade für kleine und mittelständische Unternehmen im globalen Wettbewerb ermöglichen.

Wir werden uns dafür einsetzen, komplizierte Bürokratiewut durch einfache und klare Regeln zu ersetzen. Statt tausender hochkomplizierter Einzelvorschriften zur Kapitaldeckung von Banken streiten wir für eine bindende Eigenkapitalquote. Wir wollen das Dickicht bei Steuern und Lohnnebenkosten vereinfachen. Und wir werden einen Schwerpunkt auf die Evaluation unseres Handelns legen: Scheitern ist auch in der Politik keine Schande. Wenn sich eine politische Maßnahme nicht als wirksam herausstellt, dann müssen wir neue Wege suchen.

Im Gegenzug fordern wir von den Unternehmen eine neue Offenheit für Veränderung und mehr Aktivitäten für ökologische Nachhaltigkeit und die digitale Zukunft. Wir werden weiter nerven, um die Strukturen in Wirtschaft und Gesellschaft sozialer, global gerechter, ökologischer und zukunftsfähiger zu gestalten. Strenge Umweltstandards, gerechtere Verteilung, digitaler Aufbruch und faire Besteuerung inklusive. Versprochen.

Wir legen keinen Wert auf Small-Talk und gegenseitige Lippenbekenntnisse, „man ziehe ja an einem Strang“. Grüne Wirtschaftspolitik muss Anforderungen für eine ökologisch-soziale Marktwirtschaft von morgen definieren. Dafür braucht es mehr Veränderungsbereitschaft auf Seiten der Unternehmen. Und es braucht auf grüner Seite mehr Verständnis und Respekt für Unternehmertum und wirtschaftliches Handeln.

 

Autoren:

Malte Spitz, Mitglied des Parteirats und Mitglied im Landesvorstand NRW BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Max Löffler, Sprecher BAG Wirtschaft und Finanzen BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

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