Antrag: Nein zur Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung

Am 25. April findet in Berlin der Grüne Länderrat statt. Der Länderrat ist das zweithöchste Organ der Grünen auf Bundesebene. Gemeinsam mit Katrin Göring-Eckardt, Konstantin von Notz und Jan Philipp Albrecht habe ich einen Eilantrag gegen die Pläne der Bundesregierung zur Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung verfasst. Der Antrag findet breite Unterstützung in der gesamten Partei. Der neue Hamburger Justizsenator Till Steffen, Landes- und Fraktionsvorsitzende, die Vizepräsidentin des Bundestages Claudia Roth als auch weitere Fachleute aus Bund, Ländern und BAG unterstützen den Antrag.


Antragstext:

 

Nein zur Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung

Wir GRÜNE erteilen der geplanten Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung durch die schwarz-rote Bundesregierung eine klare Absage.
Die vorgestellten Leitlinien von Bundesjustizminister Heiko Maas, die in Verhandlungen mit Bundesinnenminister Thomas de Maizière einvernehmlich entstanden sind, sind der durchsichtige und von Vornherein zum Scheitern verurteilte Versuch die anlasslose Massenüberwachung per Vorratsdatenspeicherung äußerlich umzuetikettieren. Auch die nun vorgelegten Leitlinien stellen einen unverhältnismäßigen Eingriff in unsere Grundrechte dar und führen die bürgerrechtsfeindliche Politik der Großen Koalition fort. Das Grundproblem der anlasslosen Speicherung der Kommunikationsverkehrsdaten großer Teile der digitalen Kommunikation aller Bürgerinnen und Bürger, bleibt bestehen. Durch das Festhalten an einem Instrument aus der Mottenkiste der Sicherheitspolitik, dessen Nutzen für die Strafverfolgungsbehörden bis heute empirisch nicht nachgewiesen werden konnte, ebnet die Bundesregierung weiter den Weg in den Präventivstaat, der seine Bürgerinnen und Bürger unter Generalverdacht stellt. Die Einführung dieser schwarz-roten Vorratsdatenspeicherung wäre ein rechtsstaatlicher Dammbruch, denn sie widerspricht dem Grundsatz der Unschuldsvermutung.

Die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts und des Europäischen Gerichtshofs werden völlig unzureichend berücksichtigt. So mag zwar sowohl die marginale Reduzierung der Speicherdauer als auch die Differenzierung zwischen verschiedenen Datenarten einzelne Aspekte der beiden Urteile aufgreifen, gleichzeitig bleiben grundlegende Bedenken der Grundrechtskompatibilität der Vorschläge bestehen, beispielsweise sowohl bezüglich des effektiven Schutzes von BerufsgeheimnisträgerInnen als auch hinsichtlich der Anlasslosigkeit. Das geplante Verwertungsverbot für Daten von BerufsgeheimnisträgerInnen verfehlt sein Ziel. Denn die Verunsicherung in den Verhältnissen zwischen den GeheimnisträgerInnen und ihren MandantInnen, PatientInnen und KlientInnen tritt bereits ein, wenn die Daten gespeichert und erstmalig ausgewertet werden und damit der potentiellen Kenntnisnahme durch Dritte offenstehen. Dass Bundesjustizministerium und Bundesinnenministerium dieses Problem über längst bestehende gerichtliche Beweisverwertungsverbote gelöst sehen wollen, ist billige Augenwischerei und eine Unverschämtheit gegenüber den höchsten Gerichten.

Auch verstößt der Vorschlag der Bundesregierung gegen das vor einem Jahr ergangene Urteil des Europäischen Gerichtshofs zur Vorratsdatenspeicherung, nach der eine komplett anlasslose Speicherung von persönlichen Daten grundsätzlich nicht mit dem EU-Grundrecht auf Datenschutz vereinbar ist. Danach muss es zumindest irgendeinen Bezug zwischen den durch die Speicherungspflicht gesammelten Daten und konkreten Verdachts- oder Risikomomenten für Straftaten geben. Diese Anforderung wird angesichts der unterschiedslos vorgeschriebenen Speicherung ebenfalls nicht eingehalten.

Auch die Ausführungen zur Datensicherheit sind unzureichend. Keinesfalls genügt es, allein darauf zu verweisen, dass die Daten in Deutschland verarbeitet werden.
Die entstehenden Datenberge mit Milliarden sensibler Kommunikationsverkehrs- und Bewegungsdaten werden ein hochattraktives Ziel für illegale Abgriffe und Nutzungen, sei es durch ausländische Nachrichtendienste, organisierte Kriminalität oder den Missbrauch in Unternehmen.

Wir GRÜNE erklären unseren Widerstand gegen die Pläne der Bundesregierung zur Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung und werden auch weiterhin auf allen Ebenen und mit allen demokratischen Mitteln dafür kämpfen, diesen massiven Eingriff in unsere Grundrechte zu verhindern. Gemeinsam mit einer aktiven Zivilgesellschaft werden wir auf die Straße gehen und auch einen erneuten Gang vor das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe intensiv prüfen, sobald ein Gesetz vorliegt. Wir haben schon einmal erfolgreich gegen die Vorratsdatenspeicherung einer großen Koalition geklagt und sind zuversichtlich bei den Erfolgsaussichten einer erneuten Klage, sollte das Gesetz so kommen, wie es jetzt angekündigt ist.

Dass die beiden zuständigen Minister angekündigt haben, dass an dem gefundenen Kompromiss im Deutschen Bundestag keinerlei Änderungen vorgenommen werden dürften, ist ein Affront gegenüber dem Parlament als Gesetzgeber und dokumentiert das fortschreitende, hochproblematische Bedürfnis nach großkoalitionären Hegemonie.

Statt die notwendigen bürgerrechtlichen Konsequenzen aus den Enthüllungen der vergangenen zwei Jahre zu ziehen, setzt die Bundesregierung weiterhin auf anlasslose Massenüberwachung und höhlt Grundrechte aus.

Wir fordern die Bundesregierung auf, ihre Pläne zur Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung umgehend zu beerdigen und stattdessen endlich an rechtstaatskonformen, effektiven und grundrechtsschonenden Instrumenten der Strafverfolgung und Prävention sowie einer personell und technisch gut ausgestatteten Polizei zu arbeiten. Seit Jahren fordern wir GRÜNE die Einführung einer anlassbezogenen Speicherung im konkreten Verdachtsfall im Wege des so genannten „Quick-Freeze-Ansatzes“, der eine tatsächlich effektive Kriminalitätsbekämpfung ermöglicht, ohne den Rechtsstaat konstituierende Grund- und Freiheitsrechte preiszugeben.

Anlasslose Massendatenspeicherungen sind ein Irrweg, sicherheitspolitisch wie rechtsstaatlich. Stoppt die Vorratsdatenspeicherung und lasst uns unsere Grundrechte stärken!

 

Begründung der Eilbedürftigkeit:

Die Leitlinien der Bundesregierung zur Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung wurden erst wenige Stunden vor Antragsschluss vorgelegt.

 

AntragstellerInnen/ UnterstützerInnen:

Malte Spitz, KV Münster
Katrin Göring-Eckardt, KV Gotha
Konstantin von Notz, KV Lauenburg
Jan Philipp Albrecht, KV Wolfenbüttel
Sven Lehmann, KV Köln
Marion Gehrke, KV Harburg-Land
Daniel Köbler, KV Mainz
Alexander Salomon, KV Karlsruhe
Pia Schellhammer, KV Mainz-Bingen
Britta Haßelmann, KV Bielefeld
Benedikt Lux, KV Steglitz-Zehlendorf
Irene Mihalic, KV Gelsenkirchen
Gesine Agena, KV Friedrichshain-Kreuzberg
Claudia Roth,KV Augsburg
Mona Neubaur, KV Düsseldorf
Michael Kellner, KV Pankow
Till Steffen, KV Hamburg-Eimsbüttel
Toni Hofreiter, KV München-Land

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